Koen de Vries
Gevonden gezichten

Dieses Werk ist entstanden, nachdem ich die trauernden Figuren im Voelkerschlachtsdenkmal in Leipzig gesehen hatte. Krieg kommt regelmaessig als Thema in meinen Arbeiten zurueck. Auf Grund der Art und Weise in der ich mit Frauenpoartaets arbeite, geschieht es in dieser Periode seltener. Diese Skulptur erinnert mich aan Munchs Skrik, nur ist dieser Schrecken anders. Ich sehe den Wahnsinn von Existenz bedrohender Gewalt, die mit Krieg einhergeht. Der Verstand dreht sich im Kreis wie ein ausser Kontrolle geratener Spielautomat, auf der Suche nach etwas an dem er sich festhalten kann.

Mein Stempelstil ist eine raue Arbeitsweise. Jeder Stempel muss mit einer angemessenen Portion Gewalt in den Ton gedrueckt werden, dies verformt jedoch auch die vorherigen Abdruecke. Danach muss die Haltung wieder angepasst werden, je nachdem was der theatralische Augenblick  verlangt. Danach muss die Haltung angepast werden, passend zur Theatralitaet des neu entstandenen Momentes. Die Bedeutung  des Portraets bewegt und veraendert sich mit der Bewegung und Veraenderung der Materie  und so zieht ein ganzes Theater an mir vorbei. Manchmal streift man dabei Porträts, die man liebend gerne haette, aber letztendlich nicht bekommen kann, so wie hier in dieser Serie. Und umgekehrt, weiss man nicht nicht genau, was man ueberhaupt sucht und da steht es bereits vor einem. Wie Karel Appel einmal sagte (frei uebersetzt): „man muss es nur ‚fertig’gucken“.

Etwas brauchen um sich selbst zu werden oder sich gerne an etwas anpassen. Jeder gibt seinem Leben auf seine eigene Weise Sinn und Bedeutung. Ich habe dazu ein zwiespältiges Verhältnis, ich traue mich nicht um Schwäche zu zeigen oder um von anderen abhängig zu sein. Ich kann eifersüchtig sein auf andere, die sich dies trauen und gleichzeitig froh, dass ich es nicht nötig habe. Es macht mich verletzlich.

Was wil dan Männchen vom Frauchen? Die Frage stellte ich mir bei einder der ersten Skulpturen, bei der ich Frauenstempels benutzte. Die Bildsprache die ich bis dahin bei einem männlichen Porträt verwendete, war nicht 100% übertragbar. Bei einer Frau ist eine Narbe Zeichen von Verfall und Krankheit, während sie bei einem Mann gelesen wird als Ausdruck von Zähigkeit und Kraft. Dies zeigt wie geschlechtsspezifisch der Blick des Betrachters ist. Deshalb dieser erste Schritt, in dem ich herauszufinden versuche, was dieser ‘männliche Blick’ beinhaltet. Um gleichzeitig zu lernen, darüber hinauszuschauen und das Weibliche darzustellen.

Ich habe viele Zeitungsfotos versammelt, vom Menschen, in Augenblicken an denen er mit irgendetwas in seinem Leben sehr beschäftigt ist. Das Thema ‘Ekstase’ ist dabei oft aufgetaucht, aber noch nicht eher so wie hier. Entrückung beschäftigt den Menschen, warum eigentlich? Gehört es zur ‘Ausrüstung’ der Reproduktion? Und macht uns das zum Beispiel auch anfällig für Drogen? Sich von sich selbst lösen um so mit den Göttern zu kommunizieren. Gibt dies dem Leben einen Sinn? Dies sind einige der Dinge die mich beschäftigen, wenn ich in meinem Atelier die Zeitungsausschnitte durchblättere und den Menschen betrachte.

Tagtäglich werden wir von der Schwerkraft nach unten gezogen, aber manchmal scheinst Du  ihr entkommen zu können, so wie hier, in dieser Skulptur. Was genau hier passiert, weiss ich nicht. Ein unbeschwerter Augenblick. Frei von der Zwangsjacke Deiner eigenen Geschichte oder einer Umgebung, die dich in eine bestimmte Ecke drängen will . Wie neugeboren tauchst Du an die Oberfläche und kannst wieder frei atmen. Der Weg vor Dir ist offen. Gut zu wissen, falls die Schwerkraft wieder vorbeikommt.

Flucht ist eine Reaktion auf Angst und der verletzliche Mensch benutzt diesen Weg häufig. Vor der Kamera flüchtest Du in die Unsichtbarkeit, indem Du Deine Hand zwischen Dich und das Objectief schiebst. Man sieht dies in den Medien, wenn jemand zur Rede gestellt werden soll und der Befragte sich diesem aus welchem Grunde auch immer entziehen will. Es sind unangenehme Momente, in denen die Kamera zum Jäger wird und der Verfolgte das Reh

Dieses Porträt hat etwas Magisches. Es ist zart ohne süsslich zu werden. Ich sehe eine autonome Bewegung. Die Skulptur scheint sich mit einer übermenschlichen Kraft neu zu erfinden. Eine Kraft, die nur wenige Menschen benutzen, wie sehr sie auch an ihrer Stagnation leiden.

Die Nachfolge der Generationen erfordert viel. Es ist für mich als würde man eine Kopie von sich selbst machen, aber dann ohne die Fehler. Eine Version 2.0, aktualisiert und bereit für die nächste Runde. Du lebst selbst weiter und fängst zugleich wieder am Anfang an. Das ewige ‘Wer- bin- ich- Spiel’, während dir die Augen zugehalten werden. In dir selbst ersaufen. Der Drang um selbst weiter zu leben, oder dies zu tun durch sich fort zu pflanzen.

Es war ein anstrengender Weg, der zu dieser Plastik führte. Es gelang mir einfach nicht um dass, was ich in diesem Porträt sah, an die Oberfläche zu bringen und auch wirklich gut sichtbar zu machen. Aber jedes Mal, wenn ich kurz davor war, auf zu geben, tauchte noch eine neue Bedeutungsebene auf, fast, als wolle das Porträt mir Mut machen. 

So ist es auch mit den Frauen in meinem Leben . Vielleicht war dieser mühsame Prozess darum für mich notwendig, nachdem ich beschlossen hatte, eine Serie Frauenporträts zu machen.

Manche sind der Auffassung, dass ein Frauenporträt automatisch ‘lieb’ und ‘nett’ wird. Schaut man sich die Geschichte der Bildhaukunst an, dann spricht einiges dafür.  Grund genug für mich, dies radikal zu leugnen und ‘der Frau’ unbefangen und mit Offenheit zu begegnen. Und fest zu stellen, dass unter dem Gefühl des Versagens eine neue Bedeutung steckt.